Stadt Neudenau

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Inschriftliche Datierungen¹ sind eine dankbare Quelle für die historische Bauforschung. Doch wie bei anderen Quellengattungen auch ist die kritische Interpretation der Überlieferung unerlässlich. In vielen, vielleicht sogar in den meisten Fällen erweist sich eine inschriftliche Jahreszahl nicht als „Baujahr des Hauses“. Sie kann ebenso gut einen Umbau oder einen Besitzerwechsel dokumentieren. Nicht selten kommt es auch vor, dass das datierte Bauteil aus einem völlig anderen Zusammenhang stammt. Beispielsweise kommt es von einem Vorgängerbau und wurde in zweiter Verwendung am Haus angebracht. Oder es ist vom datierten Bau nur noch ein kleiner Teil erhalten. Alle diese verschiedenen Fälle finden sich auch in Neudenau.

Insbesondere im 18. und 19. Jahrhundert wurden zusätzlich zu einer Datierung auch die Initialen oder Namensbestandteile des Hausherrn oder sogenannte Hausmarken angebracht. Letztere können auch als bürgerliche Wappen bezeichnet werden und zeigen bei Handwerkern oft typische Werkzeuge ihres Berufs. Die Initialen und Hausmarken hatten neben einer repräsentativen auch eine ganz praktische Funktion: Bevor sich Hausnummern und Straßennamen im heutigen Sinne ab dem späten 18. Jahrhundert zunächst in den Großstädten und flächendeckend erst um 1900 durchsetzten, wurden Häuser mit Hausnamen bezeichnet.

Besonders kurios ist die Tafel über dem Portal der Laurentiuskirche. Eine Kreuzigungsdarstellung mit fürbittenden Personen erscheint zunächst an dieser Stelle nicht ungewöhnlich. Schaut man genauer auf den darunter stehenden Text, wächst dagegen die Verwunderung:
„A(nno) HO(mini) 1632 den 21 7Bris / starb der Erhnhafft Andreas / Winterhelt Metzger alhie den 27 9Bris / Ist sein Hausfrau Maria ihn gott / seliglich nach gevollgt der sehlen / Gott Gnedig sein wölle Amen“.
Offensichtlich handelt es sich hierbei um eine Gedenkinschrift, eines s. g. Epitaph, welches beim Neubau der Kirche 1742/43 „renoviert“² und in die Portalarchitektur integriert wurde. Die Übernahme eines Epitaphs als Portalschmuck könnte möglicherweise mit den knappen Finanzen dieses Kirchenbauprojektes oder mit einem besonderen Einfluss der Familie des Verstorbenen zu erklären sein. So wird nicht nur an besonders prominenter Stelle die Erinnerung an Andreas Winterhelt wachgehalten, sondern es schwebt auch über jedem, der die Kirche betritt, ein Metzgerbeil!

 


¹ Auszüge aus dem Häuserbuchtext der Stadt Neudenau von J. Scharf
² Rechnung des Christian Wolf, zit. nach Straßer, W., Die Erbauung der Neudenauer Stadtpfarrkirche St. Laurentius ab dem Jahre 1741, Neudenau (Selbstverlag) 1998, S. 6.

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